Der FC Bayern vor der Saison 2018/19

Supercupsieger 2018

 

Wie vor jeder Saison in den letzten fünf, sechs Jahren möchte der FC Bayern „um alle Titel mitspielen“ – dies beinhaltet das ambitionierte Ziel Champions League Sieg und damit natürlich auch das „Triple“, welches von einigen Fans zum „FCB-Unwort des Jahrzehnts“ erklärt wurde.

Was hat der Verein dafür getan, dass dies in der kommenden Saison gelingen könnte? Er hat als Nachfolger der Trainerlegende Jupp Heynckes Niko Kovac verpflichtet, für einige Kritiker und Dauernörgler lediglich die Variante C bis gefühlt XY und er hat es in dieser Sommer-Transferperiode doch tatsächlich geschafft, keinen einzigen Cent für Spielertransfers auszugeben (dass für den ablösefreien Leon Goretzka Handgeld geflossen ist, ist ein offenes Geheimnis).

Warum die ambitionierten Ziele des FC Bayern trotzdem nicht unrealistisch sind, erklärt Petersgradmesser im folgenden Beitrag.

 

Der „Krieger“ – bislang der einzige Abgang

Der bislang einzige Abgang dieser Sommer-Transferperiode ist Arturo Vidal. Viele Fans und wohl auch Mitspieler bedauern den Abgang des 31-jährigen „Kriegers“ zum FC Barcelona. Jedoch kann man diesen Deal als Vernunftlösung bezeichnen. Vidal besaß nur noch einen Vertrag bis 2019, spielt auf einer Position, bei der es an der Säbener Straße ein Überangebot an erstklassigen Spielern gibt und war zuletzt auch immer häufiger verletzt, was auch der Tatsache geschuldet ist, dass er trotz ursprünglicher Überlegungen nicht auf die anstrengenden Länderspiele mit Chile verzichten möchte. So erklärt es sich auch, dass der FCB ihn für eine scheinbar niedrige Ablösesumme von unter 20 Millionen EURO nach Barcelona ziehen ließ.

„Neuzugänge“

Tatsächlich stehen diesem bislang einzigen Abgang der Sommer-Transferperiode vier „Zugänge“ gegenüber. Vier?!? OK, das ist natürlich gemogelt, aber im Vergleich zur letzten Saison ist der „gefühlte Königstransfer“ des FC Bayern im Sommer 2018 der offensichtlich wieder völlig fitte vielfache Welttorhüter Manuel Neuer. Bei allem Respekt vor der Leistung von Sven Ulreich in der vergangenen Saison: Ein Manuel Neuer steht als „perfektes Torwart-Gesamtpaket“ ganz weit über ihm. Und ich möchte dabei nur nach vorne schauen und nicht darüber sinnieren, wie weit der FCB in der Champions League 2017/18 mit einem Neuer im Tor gekommen wäre. „Manu is back“ – und das ist gut so.

Serge Gnabry wurde im Sommer 2017 nach seiner Verpflichtung von Werder Bremen sofort nach Hoffenheim weiter verliehen – für nicht wenige ein Fehler. Jetzt ist er auf alle Fälle endgültig in München angekommen und hat in den Testspielen sofort überzeugt. Er soll kurz- bis mittelfristig zusammen mit Kingsley Coman die legendäre Flügelzange „Robbery“ beerben – es wird interessant sein, wie in der kommenden Saison das „Jobsharing“ der vier Musketiere abläuft. Niko Kovac wird wahrscheinlich einige Male moderieren müssen, allerdings wohl eher bei Rib&Rob, und dann wird es ganz sicher auch wieder Phasen geben, bei welchen sich die bayerische Flügelzange verletzungsbedingt leider von selbst aufstellt. Auch Gnabry hat mit seinen 23 Jahren leider schon eine beachtliche Verletzungsliste vorzuweisen.

Durchaus bemerkenswert bei Gnabry, dass er zuletzt sowohl als Mittelstürmer wie auch als defensive linke Außenbahn aufgelaufen ist – beides überzeugend.

Beim Rückkehrer aus Swansea, dem „Shooting-Star“ der EURO 2016, Renato Sanches, hoffen alle dem FC Bayern Wohlgesonnenen, dass er es bei seinem zweiten Versuch in München schaffen wird, sein zweifellos riesiges Potenzial abzurufen. Bereits im Testspiel gegen PSG deutete er dies – nicht nur wegen seines frechen Freistoßtores – schon auf beeindruckende Weise an. Zuletzt plagten ihn leider wieder kleine Wehwehchen, welche Spieleinsätze verhinderten. Alles alles Gute, Renato!

Der einzig richtige Neuzugang ist der deutsche Nationalspieler Leon Goretzka. Der Mittelfeldspieler und WM-Teilnehmer kam ablösefrei von Schalke 04. Ein hoch talentierter Kicker, der schon einmal einen Ball per Hake in den Torwinkel setzt. Mit seinen 23 Jahren perspektivisch sicher ein sehr guter Ersatz für Vidal – etwas weniger kämpferisch, dafür technisch versierter.

Der Trainer – wirklich nur eine Ersatzlösung?

Nicht nur, weil er von der ersten Sekunde an in München „in allen Teildisziplinen“ einen sehr guten Eindruck gemacht hat, beantworte ich diese Frage mit einem kategorischen NEIN!

Vielleicht lag es daran, dass die Bayern-Verantwortlichen in der Medienwahrnehmung bei der Trainersuche einen hilflosen bis unglücklichen Eindruck erweckten, dass Niko Kovac nur als Notlösung dargestellt wurde. Bei den Bayernbossen war er dies wahrscheinlich nie. Wenn man z.B. den Worten von Thomas Tuchel Glauben schenken darf, dann war ein zeitnahes Engagement an der Säbener Straße nie auf der Agenda – völlig unabhängig von den Uneinigkeiten der Herren Hoeneß und Rummenigge.

Und bei aller Hochachtung vor der Leistung des „ewigen Comeback-Trainers“ Jupp Heynckes: Es kann dem Verein perspektivisch nur gut tun, dass ein junger kraftvoller Trainer das Zepter übernommen hat. Der „Stallgeruch“ spielt bei mir dabei eine weniger große Rolle als dies offensichtlich bei den Vereinsbossen der Fall ist.

Erstaunlicherweise musste sich Kovac nach dem souveränen 5:0 im Supercup-Finale in Frankfurt schon erste Kritiken gefallen lassen. Spezielle Taktikfreaks bemängelten, dass es (zu) wenige taktische Änderungen im Vergleich zur Heynckes-Saison gegeben hätte. Da wird der Gegner im eigenen Stadion nahezu seziert, eine Vielzahl der Stammkräfte ist erst seit zwei Wochen wieder im Training, und schon wird wieder gemeckert?

Meine Meinung dazu: Die Bayern der letzten Saison waren ganz knapp davor, all(!) ihre ganz  großen Ziele umzusetzen. Gegen und in Madrid fehlten Glück, etwas bessere und aufmerksamere Schiedsrichter und in der einen oder anderen Szene etwas mehr Konzentration und Kaltschnäuzigkeit. Und es fehlten – wie in jeder wichtigen Saisonphase seit dem Triple 2013 – einige absolute Schlüsselspieler. Folglich ist es keine Schwäche des Vereins und des Trainers, wenn man größtenteils auf das bewährte Personal und Spielsystem setzt, sondern eher ein Zeichen von Stärke, Konstanz und Selbstbewusstsein. Beim Spielerpersonal setzte man auf kostenmäßig vernünftige punktuelle Verstärkungen und auch beim Trainer ging es um eine adäquate und weniger um eine spektakuläre Besetzung. Und diesen – für viele scheinbar zu konservativen – Weg geht nun auch Niko (zusammen mit seinem Bruder Robert) Kovac weiter. Konsequent, nicht schwach!

Auch die Spieler sind voll des Lobes über ihren Trainer, obwohl seine Vorbereitung wohl die härteste seit Felix Magath Mitte des letzten Jahrzehnts sein dürfte. Grundlagen schaffen heißt es nun einmal.

Der Verein setzt ein Zeichen

Apropos „Grundlagen schaffen“. Die Vereinsoberen setzten in diesem Sommer ein Zeichen, welches zwar von einigen eher Außenstehenden („Reisende soll man nicht aufhalten“) nicht verstanden wurde, aber einmal mehr die Sonderstellung des FC Bayern in der Fußballwelt eindrucksvoll demonstriert: Unabhängig davon, wie groß der Wechselwunsch von Robert Lewandowski wirklich gewesen war, der Verein (allen voran Karlheinz Rummenigge) ließ nicht ein einziges Mal Zweifel aufkommen, dass der polnische Weltklassestürmer auch in der kommenden Saison für den FC Bayern seine Fußballschuhe schnüren wird.

Und damit dies auch klar ist: Auch wenn die WM für Lewandowski unglücklich gelaufen ist, die großen Clubs haben alle Experten, die das Leistungsvermögen des Kapitäns der polnischen Nationalmannschaft bestens einschätzen können. Hätte ihn der FCB tatsächlich ins Schaufenster gestellt, hätte es mindestens ein halbes Dutzend Vereine gegeben, die für ihn ohne mit der Wimper zu zucken einen dreistelligen Millionenbetrag hingelegt hätten. Aber der FCB weiß bestens, dass Lewandowski wohl der beste Bayernstoßstürmer aller Zeiten – zusammen mit / nach / vor Gerd Müller ist. Es gibt aktuell keinen adäquaten Ersatz für ihn – auch nicht für 200 Millionen EURO.

Ein „No“ des FC Bayern verstehen die großen spanischen Clubs, sämtliche superreichen Premier League Clubs und die anderen versuchen es erst gar nicht. Fazit: Ein CR7 mag verkäuflich sein, ein Lewy ist es nicht – that´s the difference und darauf bin ich als Bayernfan durchaus stolz.

Dazu die Reaktionen der Bayern nach Lewandowskis Dreierpack beim Supercup in Frankfurt.

Thomas Müller: „Das war eine großartige Antwort auf die Kritiker. Er hat seine Qualität erneut gezeigt, obwohl er niemandem etwas beweisen muss.“ Der Stürmer sei „enorm wichtig für den FC Bayern. Und deswegen lässt ihn der Verein auch nicht gehen“.

Hasan Salihamidzic: „Lewa ist ein Vollprofi. Das war genau die richtige Reaktion. Ich habe mir gewünscht, dass er explodiert. Und er hat mal wieder bewiesen, dass er einer der besten oder vielleicht sogar der beste Stürmer der Welt ist.“

Gewissen Medien, leider aber auch Fans kann man so etwas gar nicht oft genug vorlesen.

Weitere Abgänge?

Ganz ehrlich, ich hoffe nicht. Für mich unverständlich, dass der Verein zuletzt angekündigt hat, dass man – aufgrund des zu großen Kaders(!!) – weiteren Abgängen positiv gegenüber stehen würde. Kovac würde Probleme mit unzufriedenen Spielern bekommen, wenn alle Spieler fit sind. Die letzten fünf Spielzeiten spiegelten immer eine andere Realität wider: In der entscheidenden Saisonphase standen zu wenige gestandene Profis zur Verfügung, was sich jedes Mal fatal in der Champions League auswirkte.

Als erste Kandidaten galten neben Vidal Juan Bernat, aber auch Jerome Boateng, sogar Thiago und zuletzt Sebastian Rudy. (Über das mediale Sommerloch-Medien-Gegacker bezüglich Alaba, Robben, James etc etc muss man nichts schreiben).

Bernat ist in der Tat ein Wackelkandidat. Seit vier Jahren im Club hat er sich – auch verletzungsbedingt – nie richtig durchsetzen können. Bezeichnenderweise war sein erstes Bayernjahr sein bestes. Technisch hochbegabt, aber nur noch mit einem Vertrag bis 2019 ausgestattet. Er kommt an David Alaba nicht vorbei – allerdings bietet ihm dieser durch seine zahlreichen Verletzungen eigentlich immer wieder Einsatzzeiten an, wie auch aktuell nach dem Frankfurt-Spiel. Trotzdem bleibt er der wahrscheinlichste Abgang des FCB, eine Vertragsverlängerung erscheint wenig realistisch.

Auch Rudy könnte es durchaus noch in diesem Sommer nach Leipzig ziehen. Auf Sicht wird er im Münchner Starensemble eher Ergänzungsspieler bleiben als sich jemals als Stammspieler durchsetzen zu können. Wenn er sich damit arrangieren kann, könnte er dennoch bleiben und sogar in dieser Rolle nicht unwichtig sein.

Dass Jerome Boateng vom Verein selbst derart ins Schaufenster gestellt wurde, liegt zum großen Teil an seinem offensichtlich gestörten Verhältnis zum Vorstandsvorsitzenden Kalle Rummenigge. Trainer und Mitspieler setzen sich dagegen vehement für seinen Verbleib ein und nachdem PSG auf dieser Position nun etwas überraschend den Schalker Thilo Kehrer verpflichtet hat, erscheint ein Verbleib des Fußballers des Jahres 2016 eher wahrscheinlich als ein Abgang. Wenn er zudem den konstruktiven Part der Rummenigge-Kritik annehmen und verarbeiten kann, dann wird „Boa“ definitiv wieder einer der besten Innenverteidiger der Welt sein und einen wertvollen Beitrag für die kommenden Erfolge des FCB leisten können. (Und dann können sich die Medien Statements à la „der FC Bayern hat sich bei Boateng verzockt“ sonst wohin stecken!)

Saisonperspektive

Lernt der FC Bayern aus seinen Fehlern der letzten fünf Jahre und dünnt seinen Kader nicht wieder unnötig aus, dann kann er – wie jedes Jahr – wieder darauf hoffen, den ganz großen Coup zu landen. Diesbezüglich bin ich sogar wesentlich optimistischer, als ich das im Sommer 2017 war, als noch ein gewisser Carlo Ancelotti das Zepter geschwungen hat. Der Verein hat zudem auch aus den schlimmen Fehlern der Saisonvorbereitung 2017 gelernt.

In der entscheidenden Saisonphase 2019 geht es dann vor allem wieder darum, in bester (körperlicher) Verfassung zu sein, möglichste wenige Verletzte zu haben – und dann spielen auch wie jedes Jahr Glück und Pech, leider nicht zu selten in Form von sog. „Unparteiischen“, eine entscheidende Rolle. Ich bin mir sicher, dass die Kovac-Brüder das dafür geeignete Trainerpaar sind, Peter Hermann wurde auch wieder zurück ins Boot geholt und der Spielerkader ist – trotz Null Ausgaben in „Verstärkungen“ – stark genug.

Persönlich wünsche ich mir noch, dass in der Rückrunde der eine oder andere Junior den Weg in das Profiteam findet. Dabei denke ich vor allem an Oliver Batista Meier, Joshua Zirkzee und auch den Kanadier Alphonso Davies, der im Januar zum FCB stoßen wird.

 

8 Kommentare zu „Der FC Bayern vor der Saison 2018/19“

  1. Petersgradmesser vor 5 Wochen:
    „Weitere Abgänge?
    Ganz ehrlich, ich hoffe nicht. Für mich unverständlich, dass der Verein zuletzt angekündigt hat, dass man – aufgrund des zu großen Kaders(!!) – weiteren Abgängen positiv gegenüber stehen würde.“

    Neben Vidal wurden dann tatsächlich noch Bernat und Rudy abgegeben – und nun geht schon das Jammern nach den schweren Verletzungen von Coman, Tolisso und Rafinha los (Goretzka ist hoffentlich nicht ernsthafter verletzt) …. So richtig lernfähig ist der FCB bei der Kadergrößenplanung nicht!

  2. Toller Beitrag! Mir geht das ständige Gemecker auch ein wenig auf den Nerv. Nehme an, dass du mit Taktikfreaks den Miasanrot Spielbericht meintest? Bei diesem Blog tue ich mich mittlerweile sehr schwer. Werde ihn wohl nicht mehr lesen! Um so erfreulicher dein erfrischender Bericht😊macht richtig Lust, auf die neue Saison👍💪Danke hierfür

    1. Sehr gerne.

      Es gibt so einige „Dauernörgler“ im Umfeld des FC Bayern. So werde ich deinen Verdacht weder bestreiten noch bestätigen 😉 😉

      Im Laufe der Saison werden „wir Bayernfans“ sicherlich noch das eine oder andere an unserem Lieblingsverein zu kritisieren haben – aber bitte alles zu seiner Zeit und in gerechtfertigtem Maße.

      Die Trauben hängen wie immer hoch (und ich zahle jetzt ins Phrasenschwein ein 😉 ), aber ich habe so richtig Bock auf die neue Saison … und unsere „neue Arena“ 🙂

    2. Bei „Miasanrot“ muß man leider sagen, daß dort grün angehauchte Teenager und linksradikale Studenten den Ton angeben und inzwischen ihre rosabunte Weltverbesserung in die Fußball-Bericherstattung einbringen.

      Negativer Höhepunkt war der Kommentar „Hoeneß hat es nicht verstanden“ auf MSR. Dieser Kommentar versuchte, deutsche Fußballfans als „rassistisch“ hinzustellen, weil sie Mesut Özil nicht mehr in der Nationalmannschaft haben wollen.

      Der linksradikale Ton war abschreckend, die Argumentation gegen Uli Hoeneß war vereinsschädigend (und heillos übertrieben). Dieser Kommentar hätte genauso in einer Antifa-Postille stehen können. Offenbar versuchen einige Autoren bei MSR aus Bayernfans jetzt linksdrehende Weltverbesserer zu machen?!?

      Ich frage mich, was diese Ausflüge in die Politik sollen, wenn wir doch über Fußball reden wollen. Diese Hybris der Studenten geht mir auf den Sack.

      Gruß
      Thomas

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